Der berühmte Marshmallow-Test.

Wer im zarten Alter von 4-6 Jahren erfolgreich eine Zeitlang dem Verlangen widersteht, einen vor ihm oder ihr liegenden Marshmallow zu verspeisen, ist in seinem späteren Leben erfolgreicher, und zwar um so deutlicher, je länger das Kind widerstanden hat. Das Experiment hat Walter Mischel Ende der 60er Jahre bis in die 70er hinein mit 16 Jungen und 16 Mädchen durchgeführt und es hat ihn trotz der bescheidenen Probandenzahl zu weitreichenden Schlüssen gedrängt.

Die Zweifel an diesen Schlüssen sind nicht ganz neu, aber nun wurde jüngst eine weitere Replikationsstudie mit 900 Kindern in "Psychological Sciences" veröffentlicht. Mein geschätzter Leser ahnt es schon, die Ergebnisse waren äußerst bescheiden. Rechneten die Forscher nämlich den familiären Hintergrund aus ihren Ergebnissen heraus ( die sowieso schon eine nur schwache Korrelation zeigten), blieb von den damaligen Ergebnissen nichts übrig. Die einzige Probandengruppe, bei der sich ein gewisser Zusammenhang zwischen einer mehr als 20 sec anhaltenden Impulskontrolle und den Sprach- und Mathefähigkeiten mit 15 Jahren ablesen ließ, waren die Kinder bildungsferner Familien. Kinder aus Akademikerfamilien widerstanden übrigens im Durchschnitt 1,5 min länger. Und die Kinder des Mischel-Experiments stammten alle aus dem Stanford-Umfeld.

Diese neuen Ergebnisse erlauben natürlich weiterhin spannende Diskussionen (so sind 20 sec Abwarten doch wohl eher ein Aspekt von Impuls- und nicht eine kognitiv gesteuerte Selbstkontrolle). Sicher dagegen ist nun endgültig, dass dieser Test nichts darüber aussagt, wie bei einem einzelnen Kind der weitere Lebensweg aussehen wird.

Das alles ist ja noch im Rahmen üblicher Über- bzw. Untertreibungen in der psychologischen Forschung. Aber beim ja noch berühmteren Standford-Prison-Experiment von 1971 sind nun Betrugsvorwürfe gegen die Forscher formuliert geworden. Der Leiter der Gruppe damals war Philip Zimbardo. Er soll noch wie vor zu seinen Aussagen von damals stehen.

Wer näheres zu dem Experiment lesen möchte, das ja wegen zu großer Gewalt abgebrochen werden musste, sei an Wikipedia verwiesen. Eine der entscheidenden Schlussfolgerungen damals war, dass Menschen allein durch die Umstände zu großer Grausamkeit gebracht werden können, unabhängig von Anlage und Erziehung. Replikationen des Experimentes führten überwiegend zu deutlich harmloseren bis zu gegenteiligen Ergebnissen.

Bereits von Anfang an gab. es Kritik am Versuchsaufbau. ES ist die Rede von Teilnahme der Forscher als "anfeuernde" Gefängnisleiter und ein Teilnehmer sprach despektierlich von "Improtheater".

Das Stanford Magazine Medium hat die Fragwürdigkeiten jüngst noch einmal neu veröffentlicht (nach 2011). Der entscheidende Hebel für die Kritik waren stets die Tonaufnahmen vom Experiment.Und andere Forscher haben die Aufnahmen nun noch einmal neu analysiert.

Aktueller Stand der Bewertungen des Experimentes:

  • Ohne Zweifel wurde in den Ablauf eingegriffen. Es war keineswegs eine ungesteuerte Dynamik unter den Probanden.
  • Die Teilnehmer glaubten, höheren Zielen zu dienen und wollten die Experimentatoren nicht enttäuschen.
  • Es gab eine eine eindeutige Richtungsvorgabe, der die Teilnehmer folgten.
  • Allerdings wäre es auch verkürzt zu behaupten, die Brutalität der "Wärter" sei allein darauf zurückzuführen.
  • Es ist jedoch im Ergebnis sehr unwahrscheinlich, dass allein das Setting des Experiments verantwortlch war für den Verlauf.

Quellen

Marshmallow-Test:

Stanford-Prison-Experiment: