Im folgenden findet ihr einen kurzen Test der Notizen App mit Handschrifterkennung MyScript Nebo im Vergleich zum Digital Pen Kritzelmodus in iOS/iPadOS

Der Psychoanalytiker Paul in der Serie „In Treatment" macht von seinen Sitzungen keine Aufzeichnungen. (Und seit ein paar Tagen weiß ich, dass das im israelischen Original „Be Tipul" nicht anders ist.)

Bei Scobel gab es damals auch eine Ausgabe zu der Serie. Da wurde Paul bescheinigt, dass seine Interventionen in den Sitzungen nicht zu beanstanden seien. Moniert wurde nur der Mangel an Aufzeichnungen. Das sei unprofessionell (aber vielleicht den Anforderungen von TV-Bildern geschuldet).

In meiner Arbeit als Heilpraktiker beschränkt auf das Gebiet der Psychotherapie sind für mich Aufzeichnungen eine wichtige Stütze. Da gibt es ja für Heilberufler auch gesetzliche Pflichten.

Für meine Sitzungen kann ich mir nicht vorstellen, anders zu schreiben als mit der Hand. Es gibt andere Behandlungssituationen, in denen die direkte Eintragung in eine elektronische Patientenakte mittels Computertastatur die Behandlung nicht (oder viel weniger) stört.

Im Verlauf der zurückliegenden Jahre habe ich deshalb immer mal wieder Handschrifterkennungssysteme ausprobiert. Würden die gut funktionieren, könnte ich Stiftaufzeichnungen und digitale Akte besser vereinbaren.

Das erste System, das ich kennengelernt habe, das im Ansatz meine Anforderungen erfüllt, ist das System der Firma MyScript. Die App Nebo ist deren B2C Produkt, mit dem sie dieses System für alle Geräte und Plattformen vermarkten, die mit Stifterkennung arbeiten (und da gibt es ja inzwischen viele Geräte für iOS, Android und Windows).

Ich habe ein Video bei Youtube veröffentlicht, das die Fähigkeiten und Grenzen von Nebo direkt zeigt.

Bei der Nutzung einer Handschrifterkennung direkt auf dem Screen des Geräts muss man mit dem Stift direkt auf die äußerst glatte Glasoberfläche schreiben. Ein gegenüber Papier deutlich weniger angenehme Schreiberfahrung. Aber die für mich gute Nachricht ist, dass ich das Schreibgefühl durch Aufbringen einer sogenannten "paper-like" Folie dem Gefühl, auf Papier zu schreiben, sehr viel ähnlicher machen konnte.

Die Folie nutzt sie zwar mit der Zeit ab, aber mir hilft sie dennoch sehr. Mehr Details dazu beschreibe ich hier.

Mit den iOS/iPadOS 14.5 ist eine weitere Handschrifterkennungstechnik hinzugekommen. In iPhones und iPads kann ich jetzt mit dem Stift direkt in beliebige Textfelder hineinschreiben. Das wird dann sofort Buchstabe für Buchstabe digitalisiert.

Eine derartige buchstabenbasierte Erkennung ohne Berücksichtigung des semantischen Kontextes gibt es ja schon länger von Google, aber als Textfeld vitegiert in die Google Tastatur.

Da Apple das Zusammenspiel aller Komponenten besser kontrollieren kann, konnten sie einen Schritt weiter gehen. Das Konzept überzeugt mich überall dort, wo ich kurze Eintragungen in Textfelder von Programmen mache (auch dazu bei Youtube ein kleines Video). Also zum Beispiel, wenn ich die Stammdaten von Klienten neu anlege oder korrigiere. Da kann ich gut in Druckbuchstaben schreiben oder bekomme es ja sogar Zeichen für Zeichen diktiert.

Das fühlt sich ausreichend flüssig an, ohne dass ich den Stift weglegen und zur echten oder virtuellen Tastatur greifen muss. Keine große Sache, aber nett. Die Erkennung findet übrigens lokal im Gerät statt. Das ist bei Nebo auch so, obwohl das System deutlich komplexer arbeitet. Nebo arbeitet mit einer Mischung aus Buchstabenerkennung und Wörterbuch.

Auch diesen Text schreibe ich in seiner ersten Fassung mit Nebo. Ein handschriftlicher Textabschnitt bleibt so lange stehen, bis durch einen Doppelklick auf den Abschnitt die Konvertierung anstoße. Über dem handschriftlichen Abschnitt zeigt Nebo den Konvertierungsvorschlag, in dem ich einzelne Wörter anklicken kann, wenn sie falsch erkannt wurden. Nebo zeigt dann eine Liste mit Alternativen, unter denen sich sehr häufig das korrekte Wort findet, das ich dann nur noch auswählen muss. Der Vorteil: wenn ich mal eilig und verschliffen schreibe (was mir leider häufig passiert), bleibt zunächst die ursprüngliche Handschrift sichtbar. Ich kann später in Ruhe korrigieren.

Bei den üblichen Handschrifterkennungen, die sofort umwandeln, weiß ich später zu oft gar nicht mehr, was ich da geschrieben habe. Für mich bei längeren Texten deshalb ungeeignet. Mit Nebo klappt das dagegen ganz gut.

Wer etwas Zeit mitbringt, kann sich ja in dem Video selbst anschauen, wie gut das funktioniert oder auch nicht.

Mein persönliches Fazit: Bei längeren Texten bin ich vom Diktieren zur Handschrift zurückgekehrt. Oft bin ich erstaunt über die gute Erkennung, manchmal ziemlich genervt. Bestimmte Eigenheiten meiner Handschrift fehlkonvertiert Nebo reproduzierbar. Beispiele: aus „auch" wird „and", aus „in" wird „ü" oder aus "für" wird "fü" , weil Nebo bestimmte Verschleifungen meiner Handschrift nicht richtig interpretieren kann. Auch mein "m" mag Nebo nicht, wird sehr häufig zu "n". Letzter typischer Fehler: Anfangsbuchstaben meiner Schrift werden zu häufig als Großbuchstaben gelesen. Man kann allerdings durch "Nachmalen" oft das Richtige herauskitzeln.

In der Summe aber überwiegen für mich die Vorteile beim Schreiben mit Nebo. Ich schreibe gern mit der Hand, habe aber bei dieser Lösung sehr schnell eine digitale "Kopie". Und wenn jemand eine nur etwas deutlichere Handschrift hat, ist die Erkennung beneidenswert.

Noch besser wird das Schreibgefühl nach dem Aufziehen einer leicht aufgerauten "paper-like" Display Folie. Näheres dazu findest du hier in einem anderen Beitrag in meinem Blog.

In Praxisbetrieb liegt das eigentliche Problem an einer anderen Stelle. So lange es sich um persönliche Aufzeichnungen handelt, zu denen ich je berechtigt bin, gibt es keine Pflicht zur Aufbewahrung in einer Form, bei der jede nachträgliche Änderung erkennbar bleibt. Aber die offizielle Patientenakte unterliegt dieser Pflicht. Nebo hat keine Textversionierung im Hintergrund, durch die das erkennbar würde. Wenn ich also rechtlich korrekt vorgehen will, muss ich mit Nebo verfasste "offizielle" Aufzeichnungen regelmäßig in ein geeignetes digitales Dokumentationssystem exportieren oder doch besser bei Papier und Stift bleiben. In meiner Praxissoftware kumppani ist durch die Dateiversionierung sichergestellt, dass alle nachträglichen Änderungen eines Textes dokumentiert werden.

Für den Export und Import können da schon mal einige Klicks nötig werden, je nachdem wie gut die Nebo-Exportfunktion und die Importfunktion des Dokumenten- bzw. Praxisprogramms zusammenspielen. In der Regel so lala...

Gibt es Unterschiede auf den verschiedenen Plattformen? Ja, die gibt es.

Zum einen verwenden die Hersteller unterschiedliches Glas. Für mich unterscheidet sich das Maß an Glätte, nicht massiv, aber dennoch später. Andere Menschen, die ich das testen ließ, erlebten das nicht so stark wie ich.

Alle Systeme haben eigene Stifttechniken. Samsung und Mikrosoft liefen Stifte mit austauschbaren Spitzen mit differenzierten Härtegraden. Diese müssen auch regelmäßig ausgetauscht werden. Papierähnliches Schreibgefühl erlebte ich dennoch bei beiden Systemen nicht (ebenso wenig wie beim iPad). Apple verwendet eine harte Stiftspitze mit einer ganz anderen Lebensdauer.

Auf Tablets scheint es außerdem eine spürbare Abhängigkeit von der Leistungsstärke der CPU zu geben. Die Reaktionszeiten des Systems sind beim iPad Air 2020 deutlich geringer als beim

Samsung Galaxy Tab 3. Das wird besonders spürbar, wenn die Texte länger geworden sind. Nebo arbeitet mit dem Canvas-Prinzip, d. h. die Seite ist theoretisch unendlich lang. Da macht mein Samsung Tab 3 deutlich schneller schlapp.